Nach einer vom ADAC für den Raum München im April 2000 durchgeführten Marktuntersuchung
schwankten die Preise für eine Liter Normalbenzin zwischen 0,98
EUR und 1,05 EUR. Die in derselben Zeit vom Tankstelleninhaber Patrick
Wolf in Musterhausen durchgeführten Testverkäufe zu unterschiedlichen
Preisen haben ergeben, dass Preisveränderungen lediglich im Bereich
zwischen 0,99 EUR und 1,02 EUR möglich sind, ohne dass spürbare
Reaktionen der Kunden eintreten.
Wie sind die Preisabweichungen zu erklären ?
Allgemeine Darstellung der Marktsituation:
Auf den unvollkommenen Märkten der wirtschaftlichen Wirklichkeit gibt es bei vollkommener
Konkurrenz weder eine einheitliche Angebotskurve, noch eine solche Nachfragekurve.
Es sind statt dessen viele individuelle Angebots- und Nachfragekurven
vorhanden, die zusammen ein Angebots- bzw. ein Nachfrageband bilden
Da es innerhalb dieser Bänder viele Schnittpunkte der individuellen
Angebots- und Nachfragekurven gibt, sind auf einem unvollkommenen Markt
unterschiedliche Preise vorhanden. Die Preisunterschiede werden um so
größer sein, je unvollkommener der Markt ist.
Die Marktsituation eines einzelnen Anbieters (individuelle Nachfragesituation):
Auf dem unvollkommenen Markt hat jeder Anbieter einen gewissen Preisspielraum. Dieser preispolitische
Aktionsradius ist in der Regel nicht identisch mit den für den
Gesamtmarkt geltenden Preisober- und -untergrenzen. Im vorliegenden
Beispiel liegen die Preisunter- und Preisobergrenzen für den Gesamtmarkt
bei 0,98 EUR bzw. 1,05 EUR. Die preispolitischen Möglichkeiten für
den einzelnen Anbieter sind jedoch in der Regel wesentlich enger. Sie
liegen im Beispiel zwischen 0,99 EUR und 1,02 EUR und richten sich nach
den für den einzelnen Anbieter geltenden Marktbedingungen.
Bei einer Erhöhung des Angebotspreises bis zur Preisobergrenze (1,02 EUR) muss unser Anbieter
nicht befürchten, dass es zu großen Umsatzeinbußen
kommt. Umgekehrt führen Preissenkungen, soweit sie die Preisuntergrenze
(1,00 EUR) nicht unterschreiten, wegen der Unvollkommenheit des Marktes
nur zu begrenzten Umsatzzuwächsen (Nachfrageerhöhungen). Die
Nachfragekurve ist also in diesem Bereich sehr unelastisch, verläuft
also verhältnismäßig steil.
Der Anbieter auf dem unvollkommenen Markt kann sich also innerhalb einer mehr oder weniger
eng begrenzten Zone preispolitisch weitgehend autonom, d.h. wie ein
Monopolist, verhalten. Man bezeichnet diesen Abschnitt zwischen Preisober-
und Preisuntergrenze der individuellen Nachfragekurve als den monopolistischen
Bereich.
Fragen:
1) Welcher Beziehungszusammenhang besteht zwischen der Vollkommenheit bzw.
Unvollkommenheit eines Marktes und dem preispolitischen Spielraum des
Anbieter ?
2) Kennzeichnen Sie ganz allgemein die Marktsituation im Polypol (vollständige
Konkurrenz).
3) Was versteht man unter dem "monopolistischen Spielraum" des
Tankstelleninhabers Wolf ?
4) Wie werden sich die Kunden verhalten, wenn Wolf seinen Benzinabgabepreis
über 1,02 EUR erhöht ?
5) Angenommen Wolf setzt den Preis unterhalb der Preisuntergrenze von 1,00 EUR an. Wie werden seine Kunden reagieren ?
6) Was kann ein Anbieter auf einem unvollkommenen Markt tun, um seinen
preispolitischen Spielraum zu vergrößern ?
Antworten:
1) Je unvollkommener der Markt ist, desto größer werden
die Preisunterschiede. Bei unvollkommenen Märkten hat der Anbieter
nur einen begrenzten preispolitischen Spielraum.
2) Viele Anbieter treffen auf viele Nachfrager.
3) Mit dem "monopolistischen Spielraum" ist der Raum gemeind,
innerhalb dessen sich ein Anbieter preispolitisch weitgehend autonom,
d.h. wie ein Monopolist, verhalten kann. In diesem Spielraum findet
weder eine Nachfragesteigerung noch eine Minderung statt.
4) Sie werden bei einer anderen Tankstelle tanken, da Wolf seinen
preispolitischen Spielraum überschreitet.
5) Es wird einen merklichen Nachfrageanstieg geben.
6) Großhändler bzw. Anbieter, von dem er seine Waren
bezieht, wechseln / Sabotage (nicht empfohlen !!!) / Standortwahl /
agressive Werbung / Produktdifferenzierung